Buntspecht – gefiederter Botschafter des Jahres 2016
20. Februar 2016 Bericht von Liselotte Jost-Zürcher
Der Schweizer Vogelschutz SVS/BirdLife Schweiz hat den Buntspecht zum Vogel des Jahres 2016 erkoren. Der prächtige Vogel, welcher sich durch lautes Klopfen sowohl bei der Nahrungssuche als während der Balzzeit und beim Nestbau bemerkbar macht, ist anpassungsfähig und deshalb auch in Siedlungsgebieten anzutreffen. Er gilt als Botschafter für die Erhaltung von Hochstammbäumen, grossen Bäumen und Hecken im Siedlungsraum.
Der Buntspecht ist die am wenigsten spezialisierte heimische Spechtart und deshalb auch die am häufigsten vorkommende. Er ist sowohl in Laub- als in Nadelwäldern anzutreffen, ebenso in Parks und in der Kulturlandschaft, sofern dort Alleen, Windschutzstreifen oder kleine Baumgruppen vorhanden sind. Eichen- und Buchenmischwälder mit viel Alt- und Totholz sind für ihn optimale Lebensräume. Beispielsweise reine Fichtenbestände weisen nur geringe Spechtvorkommen auf. Bereits ab Ende Januar/Anfang Februar beginnt auch in unserer Region die Balz der Buntspechte. Mit lautem Trommeln auf morschen Ästen oder Lichtstangen verkünden die schwarzweissen Spechte mit den leuchtend roten Unterschwanzdecken die Suche nach einem Partner. Gleichzeitig markieren sie damit die Abgrenzung ihres Reviers. Sowohl Männchen, die sich durch den roten Genickfleck leicht erkennen lassen, als auch Weibchen trommeln. Hat sich ein Paar gefunden, beginnt der Bau einer Höhle in einem Baumstamm. Spechte sind dabei sehr exakt – meist beginnen sie an mehreren Orten auszuhöhlen, bis ihnen ein Standort passt. Sie leisten damit wertvolle Vorarbeit für andere Höhlenbrüter und verschiedene Insekten, welche die angefangenen Höhlen für ihre Nester verwenden.
Beim Trommeln wie auch beim Herausmeisseln einer Höhle haut der Buntspecht mit ungeheurer Wucht auf den Stamm ein. Ihm macht dies kein «Kopfzerbrechen» und verursacht auch keine Kopfschmerzen. Der Buntspecht ist ein echter «Dickschädel»: Der verknöcherte Teil des Unterschnabels ist ein wenig länger und leitet damit die Wucht des Schlages über die verstärkten Rippen auf den ganzen Körper ab. Der Übergang vom Schnabel zum Schädelknochen besteht aus einer schwammartigen Knochenstruktur, welche als Stossdämpfer wirkt. Die Schädeldecke ist stabiler und dicker als bei anderen Vögeln. Überhaupt ist der verhältnismässig kleine, etwa 23 Zentimeter grosse und zwischen 60 und 90 Gramm schwere Specht überaus kräftig, aber auch beweglich gebaut. Er kann sich sehr gut am Baum festhalten. Die vierte Zehe ist eine Wendezehe, welche er um etwa 45° bewegen und so herumturnen kann. Seine Schwanzfedern sind verdickt und bilden mit den Beinen zusammen ein stabiles Stativ, auf das er sich am Baum bequem abstützen kann. Um das Einatmen des entstehenden Holzmehls zu verhindern, sind die Nasenlöcher mit feinen Federn überwachsen.
Larven von Totholzkäfern als Leckerbissen
Der Buntspecht bevorzugt als Nahrung dicke Larven von Totholzkäfern, die in alten und morschen Bäumen leben. Man geht davon aus, dass Spechte die Fressgeräusche solcher Larven im Holz hören und dann buchstäblich zuschlagen. Gezielt hacken sie dort das Holz auf und ziehen mit ihrer sehr langen Zunge die Larven heraus. Ihre Zunge ist für diesen Zweck an der Spitze mit kleinen Widerhaken versehen – für die Larven und Käfer gibt es kein Entrinnen. Um an die Samen in Tannenzapfen oder an Nusskerne heranzukommen, benutzt der Buntspecht seine typischen Spechtschmieden. Er klemmt dazu die Zapfen oder Nüsse in Baum- oder Rindenspalten ein und hämmert die Samen heraus. Solche Spechtschmieden nutzt er über einige Zeit. Sind sie voll, sucht er sich eine neue. Im Frühjahr kann er auch Bäume «anzapfen» (in der Fachsprache «ringeln» genannt), um den begehrten Baumsaft zu lecken. Im Sommer hat er es noch komfortabler, er liest Raupen und andere Insekten von den Blättern ab.
Arbeiten für die Nachmieter
Buntspechte bauen jedes Jahr neue Höhlen. Unbewusst schaffen sie damit Raum für andere Lebewesen. Bäume mit Spechthöhlen sollten deshalb unbedingt stehen gelassen werden. Denn die alten Höhlen werden sofort von zahlreichen Nachmietern besetzt. Wespen und Hornissen, Siebenschläfer, verschiedene Meisenarten, Kleiber und Trauerschnäpper nutzen Buntspechthöhlen zum Aufziehen ihrer Brut. Aber auch in andern Bereichen fördern Buntspechte die Artenvielfalt. Mit dem Aufhacken von morschen Bäumen bei der Nahrungssuche ermöglichen sie auch Pilzen, Käfern und anderen Insektenarten, das morsche Holz zu besiedeln und es längerfristig zu zersetzen. Morsche Bäume bedeuten Lebensraum für unzählige Insekten- und Vogelarten.
Alte Bäume braucht das Land ...
Verständnisvolle Waldbesitzer und Förster gehen mit gutem Beispiel voran, indem sie alte und dicke Bäume als sogenannte Biotopbäume stehen lassen. Noch aber werden im Wald die meisten Baumarten bei einem Drittel ihres möglichen Baumalters gefällt – es würde noch viel mehr Biotopbäume benötigen. Zahlreiche Tierarten, Pilze, Flechten und Moose sind nebst den Spechten und anderen Vogelarten auf sie angewiesen. Für sie alle gilt der Buntspecht 2016 als Botschafter. Im Napfgebiet und seinen umliegenden Dörfern mit Wäldern und alten Hochstammbäumen leben die Buntspechte gewissermassen in einem Paradies. Alleen sind sowohl im Siedlungsraum als auch im Kulturland wichtige Vernetzungselemente und Lebensräume. Doch in zwei Dritteln der Schweizer Landschaft drohen grosse, einheimische Bäume zu verschwinden. Im Siedlungsraum und im Kulturland gibt es immer weniger davon. Grosse Maschinen, um die Felder zu bebauen, und die Rentabilität der intensiven Landwirtschaft, ebenso der Bauboom in schönsten Gegenden nehmen immer mehr Überhand. So sind die Buntspechte in Städten und grösseren Dörfern vor allem in Parkanlagen und in Friedhöfen zu finden. Bäume benötigen Jahrzehnte bis sie gross sind – die Weichen sollten dringend neu gestellt werden. Nur so kann verhindert werden, dass es dem Buntspecht wie anderen, einstmals häufigen Vogelarten wie etwa der Feldlerche ergeht, die in den hiesigen Gebieten kaum noch zu finden ist. So oder so ist es für die Biodiversität entscheidend, dass wieder vermehrt einheimische Bäume gesetzt werden und weniger Exoten, welche nur von wenigen Insektenarten besiedelt werden und keine von den Vögeln verwertbaren Früchte tragen.
Vogel des Jahres
Seit 2001 wählt der Schweizer Vogelschutz/BirdLife Schweiz jeweils einen Vogel des Jahres.
Bisher waren dies:
2001: Kuckuck
2002: Goldammer
2003: Distelfink
2004: Rauchschwalbe
2005: Mauersegler
2006: Eisvogel
2007: Wendehals
2008: Turmfalke
2009: Gartenrotschwanz
2010: Mehlschwalbe
2011: Schwarzspecht
2012: Zaunkönig
2013: Pirol
2014: Waldohreule
2015: Haussperling
2016: Buntspecht
2017 Wasseramsel